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Künstliche Befruchtung: Das sollten Sie laut Expertin früh abklären
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Kinderwunsch

Künstliche Befruchtung: Das sollten Sie laut Expertin früh abklären

Wir haben eine Fachärztin für Reproduktionsmedizin zum Thema künstliche Befruchtung interviewt. Erfahren Sie, was man bei Kinderwunsch möglichst früh abklären sollte und wann die Eizellvorsorge („Medical Freezing“) eine Option ist …
Dr. Christina Wilhelm ist ärztliche Leiterin des Kinderwunschzentrums Next Fertility – IVF Prof. Zech in Salzburg. ACTIVE BEAUTY erklärt sie im Interview, warum Frauen ihre Fruchtbarkeit früh abklären sollten und was es bei künstlicher Befruchtung und Eizellvorsorge durch Medical Freezing zu beachten gibt.

Wann sollte man über künstliche Befruchtung nachdenken?

Wenn man einen Kinderwunsch hat, kann man bis zum Alter von ca. 35 Jahren ein Jahr lang ohne fachärztliche Unterstützung probieren, ob es mit einer Schwangerschaft klappt. Alles, was darüber hinausgeht, gehört dann von einer Fachärztin oder einem Facharzt abgeklärt. Wenn man bereits über 35 ist, sollte man nach einem halben Jahr ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Es geht darum, keine Zeit zu verlieren, weil die Eizellqualität ab dem Alter von 35 Jahren schon im Abnehmen ist.

Welche Kriterien gibt es außer dem Alter?

Neben dem Alter ist ein weiteres Kriterium die Eizellqualität. Es geht nicht immer gleich um künstliche Befruchtung, sondern einfach darum, einmal eine Abklärung zu machen. Bei der Frau wird immer als Erstes der Hormonstatus abgeklärt und auch, ob die Eileiter durchgängig sind. Diese Abklärung kann primär bei einer Frauenärztin oder einem Frauenarzt gemacht werden oder bei uns erfolgen. Beim Mann wird parallel ein Spermiogramm gemacht und gegebenenfalls ebenfalls der Hormonstatus erhoben. So sieht man, ob beide gute Voraussetzungen haben und es auf natürliche Weise überhaupt zu einer Schwangerschaft kommen kann, oder ob hier Unterstützung gebraucht wird.

Erfahren Sie in diesem Beitrag alles über Unfruchtbarkeit beim Mann, was die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten sind.

Gibt es gesetzliche Vorgaben, wer künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen darf?

Ja, hier gibt es ganz klare Vorgaben. Das Fortpflanzungsmedizingesetz besagt, wann man eine künstliche Befruchtung machen darf. Da muss einer der beiden Partner oder beide eine Indikation haben – das heißt einen Grund, wegen dem auf normalem Weg keine Schwangerschaft entsteht. Und dann bestehen noch Vorgaben für die finanzielle Unterstützung, die es in Österreich durch den IVF-Fonds gibt. Dieser wird durch Krankenkassen mitfinanziert. Hier ist die Vorgabe eine Indikation bei der Frau beziehungsweise beim Mann. Wird diese von einem oder beiden erfüllt, bekommt man vier Versuche künstliche Befruchtung zu 70 Prozent mitfinanziert (Stand: Februar 2025). Das ist eine sehr schöne Option in Österreich. Die Indikationen, wann eine künstliche Befruchtung durchgeführt werden darf, sind die gleichen, wie für die Unterstützung durch den IVF-Fonds:

  • Bei der Frau, wenn ein Tubenfaktor vorliegt, d.h. wenn die Eileiter nicht durchgängig sind, sowie Endometriose und PCO-Syndrom.
  • Wenn beim Mann die Spermien gewisse Kriterien unterschreiten.

Wie funktioniert eine künstliche Befruchtung, was ist der Ablauf?

Im Prinzip geht es darum, dass man die Eierstöcke der Frau durch Hormone, die der Körper normalerweise selbst bildet, in etwas höherer Dosierung stimuliert. Das funktioniert durch Verabreichung von subkutanen Injektionen (so wie Diabetikerinnen und Diabetiker sich Insulin verabreichen) mit sehr dünnen, kleinen Spritzen. Diese setzt sich die Frau mit Zyklusbeginn für eine Woche bis zehn Tage. In der Zeit hat sie zwei bis drei Ultraschalluntersuchungen, bei denen festgestellt wird, ob die Eibläschen (die Follikel genannt werden) wachsen. Wenn diese eine bestimmte Größe erreicht haben – sodass man davon ausgehen kann, dass reife Eizellen vorhanden sind –, terminisiert man die Eizellentnahme. Diese funktioniert mit Kurznarkose über einen vaginalen Ultraschall (wie man das von der gynäkologischen Untersuchung kennt). Dank der Kurznarkose spürt die Frau nichts und verschläft den Eingriff. Die entnommenen Eizellen werden dann außerhalb des Körpers befruchtet. Danach entwickeln sich die Embryonen bei uns fünf Tage lang im Brutschrank und werden jeden Tag unter dem Mikroskop begutachtet. Nach fünf Tagen wird ein Top-Embryon mithilfe eines dünnen Silikonkatheters in die Gebärmutterhöhle eingeführt und dort abgelegt. Man hofft, dass er sich dort einnistet und es zu einer Schwangerschaft kommt. Bescheid weiß man nach zwölf bis 14 Tagen.

Gibt es zur Befruchtung der Eizelle verschiedene Methoden?

Zum einen gibt es die klassische IVF-Methode (In-Vitro-Fertilisation). Es handelt sich dabei um die Basismethode, die verwendet wird, wenn das Problem eher bei der Frau liegt, die Spermien aber in Ordnung sind und selbst die Kraft haben, die Eizellwand zu knacken. Die fortgeschrittenere Version ist die „Intrazytoplasmatische Spermieninjektion“, kurz ICSI-Methode. Diese wird angewandt, wenn die Spermien Hilfe brauchen, um in die Eizelle zu gelangen. Unter vielfacher Vergrößerung wird hier im Mikroskop jeweils ein Spermium ausgewählt und in eine Eizelle eingebracht. Die Befruchtung selbst schaffen dann Eizelle und Spermium meist sehr gut.

Müssen Frauen etwas dabei beachten?

Die Frau muss sich den Tag der Eizellentnahme freinehmen. Die Hormonstimulation lässt sich in ihrem Tagesablauf gut integrieren. Nach der künstlichen Befruchtung kann sie normal ihren Alltag leben, auch die zweite Hälfte des Behandlungszyklus wird durch Medikamente gestützt. Die Frau soll sich nicht mehr überanstrengen und geht eher in die Nestbauphase. Es sollen keine stark vibrierenden sportlichen Betätigungen mehr ausgeführt werden.

Was kostet eine künstliche Befruchtung? Zahlt hier auch die Gesundheitskasse einen Anteil?

Mit Unterstützung des IVF-Fonds kostet ein Behandlungszyklus ca. 1100 bis 1300 Euro. Die Unterstützung gibt es bis zum Alter von 40 Jahren bei der Frau und 50 Jahren beim Mann. Wenn man alles privat zahlen muss, kann man mit ca. 4000 bis 6000 Euro pro Behandlungszyklus rechnen (Stand: Februar 2025).

Wie hoch stehen die Chancen für Nachwuchs bei künstlicher Befruchtung?

Man geht von 30 bis 40 Prozent Schwangerschaftswahrscheinlichkeit pro Behandlungszyklus aus. Diese ist aber altersabhängig und muss immer individuell im Kontext der Ursache des unerfüllten Kinderwunsches beurteilt werden. Zum Vergleich: Wenn man den normalen Zyklus nimmt, hat man eine Schwangerschaftswahrscheinlichkeit von 15 bis 20 Prozent. Viele sind schon ein bisschen ernüchtert, weil sie denken, wenn man mithilft, läge die Wahrscheinlichkeit eher bei 70 bis 90 Prozent. In Anbetracht dessen, dass man die künstliche Befruchtung ja auch nur durchführt, weil es von allein gar nicht funktioniert, ist es gut, von Beginn an die Relation zwischen Erwartungshaltung und tatsächlichen Möglichkeiten gut zu besprechen. Das ist mir auch immer ein Anliegen, das am Anfang gut zu besprechen. Denn die gefühlte Erwartungshaltung der Paare, wenn sie in die Behandlung gehen, liegt bei 120 Prozent, und wenn der Schwangerschaftstest dann negativ ist, sind sie zu 200 Prozent enttäuscht.

Nehmen die Paare auch psychologische Hilfe in Anspruch?

Die Paare haben die Möglichkeit, psychologische Hilfe zu erhalten. Und wir unterstützen das auch sehr. Je nachdem, wie lang der Kinderwunsch schon besteht, kann das durchaus für das Paar belastend sein, wenn im Umkreis gerade alle schwanger werden und man selbst nicht. Daher bieten wir großzügig psychologische Begleitung an und ermutigen dazu.

Was beeinflusst die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit negativ?

Rauchen schädigt sowohl die Eizellqualität, als auch die Durchblutung der Gebärmutter inklusive Schleimhaut und der Eierstöcke. Es ist auf allen Ebenen schädlich, und die Spermienqualität wird dadurch ebenfalls schlechter. Die Folgen von Langzeitrauchen können durch drei Monate Abstinenz nicht wettgemacht werden. Starkes Unter- wie Übergewicht mindert die Chancen der Schwangerschaft. Auch PCOS und Endometriose reduzieren die Fertilität.
Was uns sehr beschäftigt, ist, dass immer mehr junge Frauen keine gute Eizellenreserve (die Eizellen, die Frauen als Anlage haben, die noch vorhanden sind) aufweisen. Hier spricht man von einer vorzeitigen Alterung des Eierstocks. Es ist mein großer Wunsch, dafür in der Ärzteschaft wie auch in der Bevölkerung mehr Awareness zu schaffen. Ratsam wäre ein Fertilitätscheck zwischen 30 und 35 Jahren. Die Gynäkologin oder der Gynäkologe kann bei einer Untersuchung feststellen, ob alles in Ordnung ist, oder Handlungsbedarf besteht. Die Eizellreserve lässt sich durch Ultraschall und Bluttests mittlerweile gut beurteilen. Generell ist das große Problem, dass sich das Alter bis zur Verwirklichung des Kinderwunsches nach hinten verschoben hat. Durch längere Ausbildung, Fokus auf die Karriere und erschwerte Partnersuche gehen Frauen die Babyplanung später an und nicht dann, wenn die Natur es gerne hätte (zwischen 25 und 35 Jahren), sondern eher jenseits der 35. Ab da sinkt bereits die Qualität der Eizellen. Und wenn dann noch zusätzliche Faktoren dazukommen, kann es schon knapp werden.

Welche Altersgrenze gibt es für künstliche Befruchtung?

Frauen können es bis zum Alter von 45 Jahren probieren, alles jenseits der 40 ist aber mit einer deutlich niedrigeren Erfolgswahrscheinlichkeit verbunden, da hier schon 70 Prozent der Eizellen genetisch nicht mehr in Ordnung sind. Zwischen 43 und 45 ist es trotz Reproduktionsmedizin extrem schwer, Schwangerschaften durch eigene Eizellen möglich zu machen. Alle Schwangerschaften, von denen wir jenseits der zweiten Hälfte der 40er lesen, sind meistens durch Eizellspende entstanden. Diese ist in Österreich bis 45 erlaubt. In Anspruch genommen wird sie von Frauen, bei denen mehrere IVF-Versuche gescheitert sind oder eine vorzeitige Alterung des Eierstocks vorliegt.

Zur Eizellvorsorge: In Deutschland ist Social Freezing erlaubt, in Österreich nur Medical Freezing.

Genau, das Medical Freezing ist so gefasst, dass jede die Fertilität einschränkende Erkrankung eine Kryokonservierung der Eizellen, das sogenannte „Medical Freezing“, erlaubt. Dazu gehören Endometriose, Auto-Immunerkrankungen, vorzeitige Alterung des Eierstocks wie Hashimoto Thyreoiditis. Der Ablauf bis inklusive Entnahme ist genau gleich wie bei der künstlichen Befruchtung (Stimulation und Entnahme der Eizellen über vaginalen Ultraschall). Es findet nur danach keine Befruchtung statt, sondern die Eizellen werden kryokonserviert, das heißt eingefroren.

Je früher man die eingefrorenen Eizellen verwendet, desto besser?


Nein, sie werden nicht schlecht. Es geht viel mehr darum, dass die Entnahme der Eizellen eher nur bis zum Alter von 35 Jahren sinnvoll ist. Aber Medical Freezing machen heutzutage auch Frauen bis 40, weil sie einfach sagen, dass es ihre einzige Chance ist. Wichtig wäre, dass man die eingefrorenen Eizellen dann bis 40 oder spätestens 42 verwendet. Danach werden auch Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt häufiger: Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft, Schwangerschaftsdiabetes, oder die Gebärmutter kann sich verändern (es können Myome dazukommen, welche es schwierig machen, schwanger zu werden).

Erfahren Sie in unserem Beitrag „Schwanger mit 40“, was Sie beim späten Kinderwunsch laut Gynäkologin erwartet.

Was sind die Kosten für Medical Freezing, gibt es eine Unterstützung?

Hierfür gibt es keine Unterstützung, das muss man selbst tragen. Rechnen muss man mit 3500 Euro für Medikamente und Behandlung. Zusätzlich gibt es noch Lager- und Konservierungsgebühren, diese können von Institut zu Institut sehr unterschiedlich sein (ca. zwischen 200 und 500 Euro pro Jahr, Stand: Februar 2025).

Welche Ängste haben Patientinnen vor der künstlichen Befruchtung?

Angst vor den Nebenwirkungen. Diese kann man aber sehr gut nehmen, indem man informiert, dass im Rahmen der künstlichen Befruchtung ja nur Hormone zugeführt werden, die der Körper kennt. Diese werden heutzutage sehr individuell auf den Hormonstatus der Frau und die Situation am Eierstock abgestimmt. Eine Überstimulation kommt kaum noch vor, genauso wenig wie eine nachhaltige Gewichtszunahme. Es kann dabei lediglich zu vorübergehenden Wassereinlagerungen kommen. Vor dem Eingriff selbst gibt es weniger Ängste, da wir die Patientinnen vorher gut aufklären, und sie daher genau wissen, was auf sie zukommt.

Wie wird der Eingriff von den Frauen empfunden? Hat man danach Schmerzen?

Der Eingriff passiert unter Kurznarkose. Die Tage nach der Eizellentnahme kann man so etwas Ähnliches wie Regelschmerzen spüren. Diese lösen sich aber meist nach ein bis zwei Tagen wieder auf und sind gegebenenfalls auch mit Schmerzmitteln gut behandelbar.

Gibt es auch Komplikationen, die bei künstlicher Befruchtung oder Eizellvorsorge auftreten können?

Prinzipiell ist es ein Routine-Eingriff, der in jedem IVF-Zentrum mehrmals am Tag durchgeführt wird und zum Glück mit einem sehr geringen Risiko verbunden ist. Grund dafür ist, dass man mit dem Ultraschall sehr gut sieht, wo man sich befindet. In seltenen Fällen kann es zu Blutungen, Nachblutungen oder einer Infektion kommen. Normalerweise geht man 1,5 Stunden später wieder nach Hause. Am Tag der Eizellentnahme darf man nicht selbst Autofahren und auch nicht arbeiten gehen, weil man sedierende Medikamente bekommen hat, die die Reaktionszeit beeinträchtigen können.

Was gibt man Paaren mit, bei denen es nicht geklappt hat?

Durch jeden Behandlungszyklus gewinnt das Paar neue Informationen. Können wir Eizellen entnehmen? Haben diese eine gute Qualität? Entwickeln sich die Embryonen die ersten fünf Tage so, wie wir das wollen? Mit all diesen Schritten kann man jeden Einzelschritt dann begutachten und feststellen, ob es mehr Gegenwind gibt, als zu erwarten war. Darauf kann man teilweise reagieren, teilweise aber leider auch nicht. Bei manchen genetischen oder physiologischen Problemen kann man Paaren trotz Hightech-Medizin leider nicht helfen. Zum Glück funktioniert die künstliche Befruchtung aber für eine Großzahl der Paare – auch, wenn es vielleicht drei bis vier Versuche braucht. Weitere Möglichkeiten, um einen Kinderwunsch zu realisieren, sind Eizellspende, Samenspende, Adoption oder das Übernehmen einer Pflegeelternschaft.

Rechtliche Info:

In Österreich sind künstliche Befruchtungen für alleinstehende Frauen nicht erlaubt, in Deutschland und mehreren anderen EU-Ländern schon. Dafür sind in Deutschland keine Eizellspenden erlaubt.

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