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ADHS: Darum wird es bei Frauen oft spät erkannt
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Chaos im Kopf

ADHS: Darum wird es bei Frauen oft spät erkannt

Schlüssel vergessen; keine Chance, sich auf die Hausaufgabe zu konzentrieren; eine geringe Frustrationsschwelle … einzeln gesehen, kann das jeden einmal betreffen. In Summe und über einen längeren Zeitraum auftretend, kann es sich dabei aber um Symptome von ADHS handeln.

ADHS: Das müssen Sie über die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung alles wissen

ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Den Betroffenen mangelt es an Dopamin, sie können sich zu „langweiligen Aufgaben“ nicht motivieren, weil ihr Belohnungszentrum nicht herkömmlich funktioniert. Menschen mit ADHS holen sich das fehlende Dopamin zum Beispiel durch den Konsum von Videospielen, Social-Media-Inhalten, Süßigkeiten sowie beim Shopping oder bei Risikosportarten. Außerdem haben sie gleichzeitig Unmengen an Gedanken und werden schnell abgelenkt. Sie können ihre Konzentration nicht bewusst steuern und tun sich auch bei Aufgaben, die Planung und Priorisierung beinhalten, schwer. Der Teil im Gehirn, der für die Steuerung und Kontrolle zuständig ist (präfrontaler Cortex), ist bei Menschen mit ADHS weniger aktiv.

Welche Formen von ADHS gibt es?

  • Unaufmerksamkeit: Träumen; sich nicht auf den Unterricht oder die Arbeit konzentrieren können; Dinge verlegen; Termine vergessen … der Fokus auf eine Sache fällt schwer, weil einen immer wieder andere Gedanken ablenken.
  • Hyperaktivität/Impulsivität: Nicht still sitzen können; starker Bewegungsdrang; Unausgeglichenheit ohne sportlichen Ausgleich.
  • Kombinierte Form aus Hyperaktivität/Impulsivität und Unaufmerksamkeit: Sowohl Unkonzentriertheit als auch vermehrter Bewegungsbedarf sind bei der Mischform Symptome.

ADHS wird bei Frauen oft erst spät erkannt, weil ihr ADHS sich häufig in der Form von Unaufmerksamkeit äußert. Bei kleinen Jungs ist eher die Form der Hyperaktivität vorherrschend. Während sie daher schneller im Unterricht auffallen, weil sie plötzlich aufstehen und zum Fenster rennen oder in der Klasse immer wieder ermahnt werden müssen, die anderen nicht beim Lernen zu stören, sind die Symptome bei Mädchen mit ADHS in der Form von Unaufmerksamkeit eher schwerer zu erkennen. Sie kommen zwar zu spät, vergessen Hausübungen oder haben Konzentrationsprobleme und Lernschwierigkeiten, sind aber im Verhalten angepasster und weniger auffällig. Wenn die Noten nicht zu schlecht sind (in kreativen Fächern können sie oft sogar als hochbegabt eingestuft werden) und sich die Unaufmerksamkeit in Grenzen hält, werden die Probleme bei Mädchen in der Schule nicht erkannt und Frauen bekommen oft gar keine Diagnose. Es kann vorkommen, dass die Diagnose erst in den Dreißigern, Vierzigern oder Fünfzigern erfolgt – manchmal auch, wenn das eigene Kind ähnliche Symptome hat und im Zuge dessen auch bei der Mutter ADHS festgestellt wird.

Was sind die Symptome von ADHS?

  • Zeitblindheit: Schnell einmal die besten elektrischen Zahnbürsten im Internet recherchiert und auf einmal ist mehr als eine Stunde vergangenen. Verpasste Termine, Fehleinschätzung der Dauer von Aufgaben – kurz, das Zeitgefühl ist einfach nicht ausgeprägt. Wenn Betroffene hyperfokussiert (alles andere wird komplett ausgeblendet) arbeiten, merken sie zum Beispiel auch nicht, dass es zwischendurch schon längst Zeit für eine Pause wäre und fühlen sich danach ausgelaugt.
  • Prokrastination: Alle Aufgaben, die als langweilig empfunden werden, werden erst einmal aufgeschoben. Betroffene haben große Schwierigkeiten, sich zu monotonen Tätigkeiten (Geschirr spülen, Wäsche waschen, die Steuererklärung machen …) zu motivieren.
  • Analyse-Paralyse: Vermeintlich einfache Entscheidungen treffen, kann hier oft ganz schön schwer sein. Betroffene fühlen sich wie gelähmt, sind unentschlossen, ob sie jetzt kurz rausgehen sollen oder nicht, verharren jedoch an der Stelle. Die Autorin und ADHS-Betroffene Angelina Boerger beschreibt in ihrem Buch "Kirmes im Kopf" eine Szene, in der sie überlegte, ob sie mit ihrem Freund und ihrem Hund einen Spaziergang machen soll. Sie saß noch immer zuhause, als die beiden schon längst wieder zurückgekehrt waren.
  • Schwierigkeiten, Aufgaben zu beginnen: Worin Menschen mit ADHS gut sind? Etwas sofort zu erledigen, wenn es ihnen gerade interessant oder spannend vorkommt. Was ihnen nicht liegt? Aufgaben ohne Deadline oder mit einer längeren Frist. Gedanklich werden diese Aufgaben mit dem Mascherl „nicht jetzt“ versehen und die Personen kommen nicht ins Handeln. Erst kurz vor dem Liefertermin starten sie los und können dann zur Höchstform auflaufen.
  • Termine vergessen: Wahrscheinlich gilt es auch für Menschen, die kein ADHS haben: Bitte notieren Sie sich alle Ihre Termine im Kalender und verlassen Sie sich nicht auf Ihr Erinnerungsvermögen. Dank der Unterstützung von Google Assistant und Co. sollte man heutzutage keine Geburtstage vergessen und sein Sozialleben geregelt bekommen, in dem man alles in einen Planer einträgt.
  • Dinge verlegen: Ein guter Trick (nicht nur für Menschen mit ADHS) ist es, den Schlüssel immer am selben Ort zu deponieren. Mit ADHS neigt man leider dazu, Dinge zu verlegen. Zusätzlich ist die Ordnung im Haushalt leider nicht immer gegeben. Wenn dann etwas abhandenkommt, wird das Suchen umso schwerer.
  • Emotionale Unausgeglichenheit: Der normale Alltag verlangt den Betroffenen bereits soviel Energie ab, dass sie keine Resilienz aufweisen, wenn etwas schiefläuft. Das kann dann mit heftigeren emotionalen Reaktionen einhergehen.

Hinweis: Hier finden Sie eine Liste von allen 25 Symptomen, die auf ADHS hinweisen:
Nur weil Sie, zum Beispiel in stressigen Zeiten, einmal Ihren Schlüssel vergessen, heißt das aber noch lange nicht, dass Sie ADHS haben. Sie müssen mehrere Symptome über einen längeren Zeitraum und bereits im Kindesalter gehabt haben, um eine Diagnose für ADHS zu erhalten. Ausschlaggebend für die Behandlung ist, wie heftig und wie oft sich die Symptome zeigen.

Was verstärkt ADHS Symptome?

Mit einem bewussten, gesunden Lebenswandel können in manchen Fällen die Symptome gemindert werden. Aber es gibt auch negative Faktoren, welche die Symptome noch verstärken können:

  • Zu viel Zucker und Fast Food
  • Zu lange Fernsehen oder Social Media schauen (zu viel Dopamin)
  • Unregelmäßige Schlafenszeiten
  • Kein Sport
  • Stress
  • Zuviele Eindrücke auf einmal (zum Beispiel laute Umgebung)

ADHS-Test für Erwachsene, Diagnose und professionelle Hilfe

Sie erkennen sich wieder? Die World Health Organization stellt einen Selbsttest für Erwachsene zur Verfügung. Dieser dient als erste Orientierung, ist aber kein Ersatz für ein Gespräch mit und eine Diagnose von einem Arzt oder einer Ärztin.

Hinweis:

Wenn Sie Unterstützung benötigen, suchen Sie sich unbedingt professionelle Hilfe. Hier finden Sie Informationen zu Anlaufstellen.

Wenn Sie sich eingehender mit dem Thema beschäftigen möchten, besuchen Sie doch das Infoportal für Erwachsene mit ADHS.

Bewältigungsstrategien

Es gibt zahlreiche Bewältigungsstrategien, die beim Umgang mit ADHS helfen. Meistens werden diese von Betroffenen unbewusst im Laufe ihres Lebens entwickelt. Zum Beispiel die Anwesenheit einer zweiten Person, wenn man beim Aufräumen nicht abgelenkt werden will oder sich konkret auf eine Lernaufgabe fokussieren möchte. Im Internet gibt es einige Influencer auf YouTube, TikTok und Co., die ihre Erfahrungen teilen und auch selbstgefundene Strategien zur Bewältigung von schwierigen Alltagsaufgaben teilen.

Was sonst noch hilft:

  • Sport: Regelmäßiger Sport sorgt für mehr Ausgeglichenheit. Besonders Sportarten wie Radfahren, bei denen es um Balance geht, sind empfehlenswert.
  • Meditation: Meditation kann sich positiv auf den Fokus auswirken.
  • Ein Musikinstrument spielen: Besonders Kindern kann es helfen, mit ihrer Hyperaktivität besser umzugehen.
  • Sozialzeit: Zeit mit geliebten Menschen zu verbringen, steigert das Wohlbefinden.
Buchtipp: Angelina Boerger hat erst im Erwachsenenalter erfahren, dass sie ADHS hat. In Ihrem Buch „Kirmes im Kopf“ beschreibt sie ihren Weg zur Diagnose ADHS, Herausforderungen im Alltag und wie es sich anfühlt, wenn gleichzeitig gefühlt eine Million Gedanken im Kopf herumschwirren.

Kirmes im Kopf
Angelina Boerger
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
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