Phytotherapie in den Wechseljahren: Das sagen Mediziner
Was versteht man unter Phytotherapie?
Phytotherapie – die pflanzliche Heilkunde – ist die wohl älteste Heilkunde der Menschheit. Über 3.000 Pflanzen mit heilkräftiger Wirkung sind bekannt, doch nur einige Hundert sind auch als pflanzliche Arznei zugelassen. Im Unterschied zur Homöopathie, bei der nur einzelne, hochpotenzierte – also stark verdünnte – Wirkstoffe zum Einsatz kommen, greift man in der Phytotherapie gerne auf eine Wirkstoffkombination mehrerer verschiedener Pflanzen zurück. Das können Mischungen aus getrockneten Blüten, Blättern, Wurzeln oder ganzen Pflanzenteilen sein, die zu Pulvern, Kapseln oder Tropfen verarbeitet werden. Säfte, Tinkturen oder ätherische Öle zählen ebenso zu den wichtigsten Heilmitteln der Phytotherapie wie Tees und Badezusätze.
Was sollte man beachten, bevor man mit einer Phytotherapie beginnt?
Eines vorweg: Die Wechseljahre sind ein ganz normaler Vorgang im Leben einer Frau. Ähnlich wie die Pubertät und der monatliche Zyklus sind auch die Wechseljahre eine hormonelle Umstellung im weiblichen Körper, die etwa im Alter zwischen 45 und 55 Jahren auftritt. Dass es in dieser Phase zu körperlichen Beschwerden wie Migräne, Schlaflosigkeit, Hitzewallungen oder Verdauungsproblemen kommen kann, muss nicht zwingend mit den Wechseljahren zusammenhängen, sagt die Wiener Frauenärztin und Naturmedizinerin Petra Zizenbacher. Häufig würden sich die körperlichen wie seelischen Probleme schon über einen langen Zeitraum hinweg anbahnen und erst während des Wechsels zum Vorschein kommen. Gerade deshalb sei es so wichtig, sich seinen Lebensstil ganz genau anzusehen, bevor man zu pflanzlichen Arzneien greift, rät die Expertin.
Ist Phytotherapie während der Wechseljahre sinnvoll?
„Symptome wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen stehen oft in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ernährung“, sagt die Frauenärztin aus Wien. In ihrem Naturheilzentrum nimmt Zizenbacher deshalb die Ernährungsgewohnheiten ihrer Patientinnen genau unter die Lupe: „So können Schlafstörungen auch daran liegen, dass der Darm nicht richtig funktioniert. Darmträgheit ist eine häufige Folge von Flüssigkeitsmangel. Viele Frauen trinken schon über Jahre hinweg zu wenig Wasser“, sagt Zizenbacher. Kommt dann die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre hinzu, würde sich das nicht selten mit Verdauungsproblemen, Migräne und Schlafstörungen äußern. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass Betroffene zunächst ganz genau auf ihre tägliche Flüssigkeitszufuhr achten: Zwischen drei und vier Liter Wasser sollten es täglich sein (normalerweise werden ca. 2 Liter empfohlen). Kräutertees sind eine gute Möglichkeit, um sich mit Flüssigkeit und wertvollen Phytonährstoffen zu versorgen. „Wer genug trinkt, leidet viel weniger an Wechseljahresbeschwerden“, lautet die gute Nachricht der Expertin aus ihrer Praxiserfahrung. Tritt dennoch eine Hitzewallung auf, sind Kräutertees erfrischend.
Hinweis: Der tägliche Wasserbedarf ist von verschiedenen, individuellen Faktoren abhängig. Erfahren Sie dazu mehr in unserem Beitrag „Endlich genug trinken: Fünf Tipps gegen Flüssigkeitsmangel“.
Phytotherapie beginnt bereits mit der Ernährung
Oft entstehen Beschwerden aus einer Überlastung heraus, wie Stress in der Familie oder im Beruf. Das wiederum kann zu Verdauungsproblemen führen. Daher wird in der Phytotherapie ein besonderes Augenmerk auf eine ballaststoffreiche Ernährung gelegt, um auch emotionalen Stress besser wegstecken zu können. Gerade in grünem Blattgemüse sind wichtige Vitamine und Mineralstoffe enthalten, die der Körper während der Wechseljahre in größeren Mengen benötigt, sagt die Kräuterexpertin. Viele der wertvollen Nährstoff-Lieferanten wachsen dabei direkt vor unserer Haustüre: Dazu zählen Bärlauch, Brennnessel und Löwenzahn genauso wie die Kräuter Estragon, Kerbel und Petersilie. Sie liefern Kalzium, Magnesium und Eisen und sind reich an Vitamin C. Während der Wechseljahre sollte man außerdem wenig übersäuernde Lebensmittel wie Kaffee, Fleisch und Milchprodukte zu sich nehmen. Ein grüner Smoothie eignet sich hervorragend für die tägliche Portion an Obst und Gemüse und ist reich an Phytoöstrogenen.
Welche Phytopharmaka helfen beim hormonellen Wechsel?
Bei allgemeiner Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen können Tees oder rezeptfreie Dragees mit Hopfen, Melisse und Baldrian wohltuend sein. Die Schafgarbe beinhaltet ein Phytoöstrogen, das bei Migräne und Hormonschwankungen eingesetzt werden kann. Außerdem wirkt sie entkrampfend und wohltuend auf die Verdauung. Das wohl bekannteste heimische Kraut gegen Frauenleiden ist der Frauenmantel. Die gestagenhaltigen Blätter können bei Hitzewallungen, Harnwegsinfekten und Bauchkrämpfen unterstützen. Auch Fußbäder mit Lavendel sorgen für einen guten Schlaf und haben sich bei Anspannung und Herzklopfen bewährt, sagt Zizenbacher.
Welche pflanzlichen Hormone nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden sollten
Emotionale Symptome wie Labilität, Reizbarkeit, häufiges Weinen, Beklemmungsgefühle, Depression und Schlaflosigkeit können in jeder Lebenslage auftreten, sind aber in den Tagen vor der Menstruation und in den Wechseljahren besonders häufig. Bleiben die Beschwerden über einen längeren Zeitraum von etwa drei Monaten bestehen oder ist das familiäre und soziale Zusammenleben gefährdet, werden Phytopharmaka wie Mönchspfeffer, Traubensilberkerze und Johanniskraut empfohlen. Auch Rotklee enthält Phytoöstrogene, die der Gynäkologe Peter Kracher in seiner Praxis in Wiener Neustadt gerne als pflanzliches Heilmittel bei einem Absinken des Hormonspiegels einsetzt. Gerade bei Symptomen wie Stimmungsschwankungen, Schwitzen und unregelmäßigen Blutungen habe sich eine Kombination aus Rotklee und Yamswurzel bewährt, erklärt der Experte. Bei stärkeren Symptomen kann die Traubensilberkerze hilfreich sein. Diese Präparate sollten jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden, um etwaige Neben- und Wechselwirkungen auszuschließen. Vorsicht ist auch bei der Einnahme von Johanniskraut geboten, sagt der Mediziner. Neben der erhöhten Lichtempfindlichkeit der Haut sei das Johanniskraut ein unterschätztes starkes Antidepressivum.