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Nachts abstillen: So gelingt die Entwöhnung sanft und bedürfnisorientiert
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Schlaf schön!

Nachts abstillen: So gelingt die Entwöhnung sanft und bedürfnisorientiert

Nachts abstillen ist meist mehr als nur eine physische Umstellung – es gehört zu den sensibelsten und zugleich herausforderndsten Momenten im Stillprozess. Doch wie geht man dieses Thema am besten an? Wir erklären gemeinsam mit einer Hebamme, wie das nächtliche Abstillen sanft und bedürfnisorientiert für Kind und Mutter gelingen kann.


Anmerkung der Redaktion: Die Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind ist individuell. In diesem Artikel geben wir nur Tipps und Anreize.

Hebammentipp

Hebamme Nicole Humer arbeitet als freie Hebamme in Wels und ist in Oberösterreich die Leiterin des Hebammengremiums. Sie setzt sich besonders für niederschwellige Angebote für Familien ein. Ihr großes Anliegen? Als Hebamme Eltern bestens informiert durch Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett zu begleiten.

Warum schlafen Babys beim Stillen besonders schnell ein?

Dass Babys an der Brust einschlafen, ist ganz normal. Schließlich sind Stillmahlzeiten nicht nur ein Bedürfnis nach Nahrung, sondern auch eine Quelle von Trost und Nähe. Die Brust dient vielen Babys als „Sicherheitsanker“, um in den Schlaf zu finden, und auch viele Mütter empfinden Stillen als eine besondere Form der Verbindung. „Interessant ist hierbei, dass die Zusammensetzung der Muttermilch sich nicht nur mit dem Alter des Kindes verändert, sondern auch innerhalb eines Tages“, erklärt Hebamme Nicole Humer: „Am Morgen finden sich Stoffe, die wach machen, während abends schlaffördernde Substanzen darin enthalten sind. Dazu gehören verschiedene Aminosäuren, wie zum Beispiel Tryptophan, das im kindlichen Organismus zu Melatonin umgebaut wird. Melatonin hat eine schlaffördernde Wirkung. Muttermilch auch als ,Einschlafhilfe‘ zu nutzen, ist aus biologischer Sicht deshalb äußerst sinnvoll. Auch das Bindungshormon Oxytocin, das beim Kuscheln ausgeschüttet wird, und Sättigungshormone erleichtern dem Baby das Einschlafen“.


Abstillen in der Nacht: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht! Letztendlich ist die Dauer der Stillbeziehung immer eine persönliche Entscheidung von Mutter und Kind. Die WHO (World Health Organisation) empfiehlt ausschließliches Stillen bis zum sechsten Monat und Stillen nach Bedarf zusätzlich zur Beikost bis zum zweiten Lebensjahr. Daher ist auch das nächtliche Abstillen sehr individuell und sollte in einem Tempo erfolgen, das für Mama wie Kind angenehm ist. Solange sie sich beim Stillen in der Nacht wohlfühlen, gibt es also kein zu häufiges oder zu langes Stillen. Im Durchschnitt können Babys mit 10 bis 12 Monaten körperlich auf die nächtliche Milch verzichten. Ab dann ist die Nahrungsaufnahme beim nächtlichen Stillen zwar zweitrangig, die emotionale Nähe zur Mutter aber dennoch wichtig. Das Saugen an der Brust schenkt schließlich Nähe und Geborgenheit. Entscheidend für die Mama ist: Auf den Körper und das Herz hören. Deshalb sollte man sich vorab einige Fragen stellen: Warum möchte ich mein Baby nachts abstillen? Bin ich wirklich bereit dazu? Oder bekomme ich Druck von außen, von Familie und Freunden? Erschöpft das Stillen in der Nacht zu sehr, kann das nächtliche Abstillen natürlich sinnvoll sein. Das Baby sollte aber gesund sein und Mama und Kind sollten sich in einer entspannten Phase befinden.


Wie kann man sein Baby vorbereiten?

„Die beste Vorbereitung auf nächtliches Abstillen ist die bewusste eigene Entscheidung der Mutter, dass sie das auch wirklich möchte“, erklärt Nicole Humer. Denn das Kind würde eine eventuell vorhandene Unsicherheit der Mutter immer wahrnehmen – und es dann auch schaffen, gestillt zu werden. „Nach diesem ersten wichtigen mentalen Schritt ist es natürlich ratsam, das Kind optimal vorzubereiten.“ Die amerikanische Pädagogin Janet Lansbury rät zu einem ständigen Dialog mit dem Baby in allen alltäglichen Bereichen. Das heißt, es ist von besonderer Wichtigkeit, dem Kind alles, was man mit ihm macht, auch zu kommunizieren, z.B.: „Ich werde dich jetzt auf den Wickeltisch legen, deine Hose ausziehen, dann mache ich deinen Popo sauber…“. So auch in Bezug aufs nächtliche Abstillen: „Ich weiß, dass du gerne an meiner Brust einschläfst. Aber Mama braucht ihre Brust bald wieder für sich. Trotzdem bin immer ich für dich da, wenn du mich brauchst. Wir können weiterhin kuscheln, bis du eingeschlafen bist“. Auch, wenn das Kind die Worte vielleicht noch nicht versteht: Durch Mamas Stimme fühlt es sich sicher und geborgen. Die Interaktion fördert die kognitive Entwicklung, weil Babys durch das Zuhören und Beobachten ihre Fähigkeiten zur Verarbeitung von Informationen verbessern. Die Hebamme rät: „Von Vorteil ist auch, sich ein alternatives Einschlafritual zu überlegen. Diese Alternative hat Auswirkungen auf das nächtliche Stillen. Zum Beispiel ein Vorlesebuch, dass anstelle des Einschlafstillens gemeinsam gelesen wird. Sinnvoll ist, dieses neue Ritual bereits vorab nach und nach einzuführen. Oder der Vater übernimmt den Part des Zubettbringens, dann ist die Brust in dem Moment nicht präsent.“


Flasche statt Brust: Ist das sinnvoll?

„Es ist weit verbreitet, dem Kind rund um den ersten Geburtstag als Ersatz für das nächtliche Stillen ein Wasserfläschchen anzubieten[1] [2] “, so Nicole Humer. „Das führt aber nicht bei allen Kindern zum gewünschten Erfolg. Babys haben nachts nicht zwingend Hunger oder Durst, eher ist es der Bindungsgedanke, der den Säugling aufwachen lässt. Daher ist es entscheidend, die Verknüpfung von Brust und Schlaf zu lösen. Ein wichtiger Schritt ist der Start mit einem alternativen Einschlafritual, das sich positiv auf das Beenden vom nächtlichen Stillen auswirkt. Sollten Sie dennoch ein Wasser in der Nacht anbieten wollen, sind auslaufsichere Trinklernbecher ideal.“ Einige Modelle leuchten in der Nacht, so kann das Kind selbstständig den Becher finden. Von einer alternativen Milchmahlzeit in der Nacht, wie etwa Pre-Milch, Hafer- oder Mandelmilch (auch in verdünnter Form), raten Kinder- und Zahnärzte ab. Der enthaltene Zucker in der Milch greift in Kombination mit karieserregenden Bakterien den Zahnschmelz an. Tipps für gesunde Milchzähne erhalten Sie hier.


Welche Voraussetzungen sollten vor dem Abstillen in der Nacht erfüllt sein?

  • Der Wunsch, nachts abzustillen, ist die aufrichtige Entscheidung der Mutter.
  • Es ist ausreichend Zeit vorhanden, diesen Schritt zu unternehmen.
  • Das Kind isst und trinkt tagsüber ausreichend.
  • Es stehen keine großen Veränderungen an, wie zum Beispiel eine Krabbelstuben-Eingewöhnung.
  • Das Kind ist gesund und zahnt nicht.
  • Wichtige Termine sollten nicht in diesen Zeitraum gelegt werden, denn die ersten Nächte können anstrengend sein.
  • Der Partner unterstützt das Vorhaben „nächtliches Abstillen“.
  • Ein passendes Alternativritual ist gefunden.


Schritt für Schritt: So kann nachts abstillen sanft gelingen

  1. Nicht beeinflussen lassen: Die Mama sollte vom Abstillwunsch wirklich überzeugt sein. Das Kind spürt, wenn Zweifel vorhanden sind.
  2. Mit dem Kind sprechen: Eine Möglichkeit, das Kind sanft auf das Abstillen vorzubereiten, ist, mit ihm darüber zu sprechen. „Ich möchte dich nachts abstillen, weil…“
  3. Nachts die Stillzeit reduzieren: Das Abstillen in der Nacht sollte nicht plötzlich erfolgen. Stattdessen die Stillmahlzeiten schrittweise reduzieren, um das Kind langsam daran zu gewöhnen.
  4. Eine neue Abendroutine einführen: Das Einführen einer kleinen Abendroutine, wie das Singen eines Liedes oder das Vorlesen einer Geschichte, kann zu einem schönen und neuen Ritual werden.
  5. Andere Beruhigungsstrategien versuchen: Die beruhigende Stimme von Mama oder Papa, Singen, im Arm schaukeln oder andere vertraute Dinge können dem Baby helfen, ohne Brust wieder einzuschlafen. Die Nähe und Geborgenheit der Eltern spürt es dabei weiterhin.
  6. Auf die Bedürfnisse des Kindes hören: Das Abstillen sollte stets im Einklang mit den Bedürfnissen des Kindes geschehen. Wenn das Kind in einer bestimmten Phase des Abstillens verunsichert oder unruhig wird, kann es hilfreich sein, einen Schritt zurückzugehen und mehr Nähe und Trost anzubieten, um dem Kind zu zeigen: Mama ist weiterhin für dich da.

Geduld ist der Schlüssel

Nachts abstillen ist ein Prozess, der Zeit braucht – sowohl für die Mama als auch für das Baby. Es ist wichtig, Geduld zu haben und zu verstehen, dass es normal ist, wenn nicht alles reibungslos verläuft. Das Kind muss sich erst an die neue Schlafroutine gewöhnen, und es ist vollkommen in Ordnung, wenn es zwischendurch Rückschritte gibt.


Tipps für ein bedürfnisorientiertes Abstillen in der Nacht

  • Statt der Brust dem Kind Wasser anbieten, am besten aus einem Trinklernbecher.
  • Keine neuen Einschlafgewohnheiten etablieren, die man später nicht beibehalten möchte.
  • Das Kind niemals weinend zurücklassen, sondern liebevoll und empathisch begleiten.
  • Andere Bezugspersonen wie den Papa in den Prozess einbeziehen.
  • Zeit nehmen und keinen Druck ausüben.


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