Gefühle zulassen: Können wir das lernen?
Wir alle kennen sie: Entscheidungen, bei denen der Verstand sagt: „Mach es!“ und das Bauchgefühl ruft: „Tu’s nicht!“. Welche Gefühle darf man zulassen, auf wen soll man hören? Am besten auf alle, sagt Judith Glück.
Herz oder Kopf? Wenn es um weise Entscheidungen geht – ob in der Liebe und in Beziehungen oder im Job -, stehen wir oft vor einer Wahl. Lieber dem Bauchgefühl folgen und Gefühle zulassen, oder doch von der Intelligenz leiten lassen? Weisheitsforscherin Judith Glück erklärt, warum die Balance zwischen Gefühl und Verstand so wichtig ist – und wie sie gelingt.
Ihrer Meinung nach liegt Weisheit an der Schnittstelle zwischen Fühlen und Denken. Wer also weise entscheiden will, muss sich zunächst einmal seine eigenen Gefühle bewusst machen und zulassen – und sie dann richtig einordnen. Was zusätzlich helfen kann: Weise Sprüche über das Leben von großen Denkerinnen und Denkern oder ein selbst kreiertes Mantra.
Lässt sich lernen: Gefühle zulassen & weise Entscheidungen treffen
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Das Bauchgefühl ernst nehmen
Wenn uns jemand von einem schwierigen Dilemma erzählt, haben wir meist sofort ein Bauchgefühl dafür, was in der Situation richtig und was falsch wäre. Wir versuchen zwar, logisch zu denken, aber nur, um unser Bauchgefühl zu bestätigen. Weise Menschen wissen das. Sie nehmen ihr Bauchgefühl sehr gut wahr – aber eben als solches.
Sie fragen sich: „Woher kommt das, dass ich mich da emotional gleich so stark hineingezogen fühle? Ist das vielleicht eher mein Ding und nichts Objektives?“ Eine weise Person nimmt ihr Bauchgefühl ernst. Sie versucht, zu verstehen, was es bedeutet, auch wenn sie ihm nicht zwangsläufig folgt.
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Objektivität und Subjektivität unterscheiden
Das Ziel ist: Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Und nicht durch die verschiedenen Brillen, die man so hat. Es ist also auch Teil der Objektivität, zu sagen: Okay, es mag eine objektive Realität geben. Aber die ist nicht so wichtig, denn es geht darum, dass meine Sichtweise in diesem Konflikt anders ist als die meines Konfliktgegners. Es dreht sich oft gar nicht um Objektivität. Sondern darum, objektiv zu sehen, dass es um subjektive Sichtweisen geht.
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Mit weisen Menschen umgeben
Wenn man Menschen fragt, wodurch sie weise geworden sind, antworten viele: Sie haben erlebt, wie jemand mit einer bestimmten Lebenssituation umgegangen ist – und wie sie das beeindruckt hat. Menschen lernen gut von Modellen. Das funktioniert sogar, wenn man sich nur vorstellt, was jemand – den man für relativ weise hält – in einer Situation sagen würde. Auch das ist ein Weg, um für sich selbst zu Lösungen zu kommen.
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Achtsamer leben
Bei einer Studie wurden Menschen mit unterschiedlichen „Weisheits-Levels“ dazu angehalten, ein Tagebuch zu führen. Sie sollten zweimal am Tag positive und negative Ereignisse notieren und festhalten, wie sie sich dabei gefühlt haben. Dabei kam heraus: Weise Menschen berichteten über mehr positive Erlebnisse. Über kleine Freuden, die den anderen vermutlich auch passiert sind – nur, dass die sie nicht wahrgenommen haben.
Ein Teil des Glücklichseins bei weisen Menschen beruht offenbar auf dem Wertschätzen von Freuden und dem bewussten Leben. Zum anderen ermöglichen positive Gedanken und Gefühle ermöglichen neue Sichtweisen. Zum einen gibt es positive Erfahrungen, die ein Leben verändern – wie etwa ein Kind zu bekommen.
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Die eigenen Schwächen kennen
Es kann manchmal weh tun, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Weisheit macht glücklich, auch wenn der Weg dorthin nicht immer lustig ist. Weise Menschen sind mit sich selbst im Reinen. Sie kennen sich selbst, ihre Schwächen und ihre Grenzen und können sich so akzeptieren und selbst lieben, wie sie sind. Sie brauchen nicht so viel Bestätigung von außen. Und das scheint schon ein Zustand von großem Glück zu sein.