Motivationscoach Gela Allmann: „Schicksalsschläge anzunehmen ist harte Arbeit.“
Gela Allmann weiß, was es bedeutet, mitten aus dem Leben gerissen zu werden: 2014 überlebte die ehemalige Extremsportlerin einen 800-Meter-Sturz in die Tiefe. Heute ist sie Motivationscoachin und inspiriert mit ihrer Geschichte andere Menschen, niemals aufzugeben.
Inhaltsverzeichnis
- Liebe Gela, mit welchen Gedanken und Gefühlen blickst du heute auf deinen Unfall zurück?
- Wann war für dich der Zeitpunkt gekommen, dich mehr mit der Zukunft als mit der Vergangenheit zu befassen?
- Nicht nur man selbst, auch das eigene Umfeld muss mit einem persönlichen Schicksalsschlag zurechtkommen. Welche Erfahrungen hast du da gemacht?
- Bei einem Schicksalsschlag kommt oft reflexartig die Frage: „Warum ich?“ Wie kann man diesen Gedanken in etwas Positives umwandeln?
- Und wenn einem einfach nur nach Weinen zumute ist?
- Woher nahmst und nimmst du deine Stärke?
- Dein Motto lautet „Fight. Smile. Love“ – und so lautet auch der Titel deines letzten Buchs. Was bedeuten diese Werte für dich?
- Glaubst du, dass dieser Wille zum Durchhalten in jedem Menschen angelegt ist?
- Wie findet man denn heraus, was einem individuell guttut?
- Du bist ehemalige Extremsportlerin, Model, Motivationscoach, Buchautorin – und Mutter. Wenn du deinen Kindern nur einen Rat fürs Leben mitgeben könntest, welcher wäre es?
Im April 2014 stürzte Sportmodel und Bergläuferin Gela Allmann bei einem Fotoshooting in Island 800 Meter in die Tiefe. Mit schwersten Verletzungen überlebte sie knapp und kämpfte sich Schritt für Schritt zurück ins Leben. Als Motivationscoachin und Autorin lässt sie andere Menschen an ihrem Weg teilhaben. In ihrem ersten Buch „Sturz in die Tiefe“ (2016, Malik Verlag) verarbeitete sie den Unfall und schilderte, wie ihr nach dem Schicksalsschlag ein Neuanfang gelang. In ihrem zweiten Buch „Fight. Smile. Love“ (2022, Piper) zeigt Gela Allmann, wie man anhand eines 13-Punkte-Plans mit Herausforderungen umgehen und zu sich selbst finden kann.
Im ACTIVE BEAUTY Interview verrät die sympathische Sportlerin, woher sie ihre Stärke nimmt und wie jeder seinen Willen zum Durchhalten wiederentdecken kann.
Liebe Gela, mit welchen Gedanken und Gefühlen blickst du heute auf deinen Unfall zurück?
Ich habe definitiv zwiegespaltene Gefühle. Einerseits bin ich wahnsinnig dankbar, dass ich diesen Tag überlebt habe und das Gröbste geschafft sowie alles so gut hinter mich gebracht habe. Andererseits kommen in Wellen auch immer wieder nicht so schöne Gefühle hoch. Ich dachte an diesem Tag, ich müsste sterben. Ich habe viele Ängste ausgestanden und das alles hat mir viel Schmerz bereitet.
Wann war für dich der Zeitpunkt gekommen, dich mehr mit der Zukunft als mit der Vergangenheit zu befassen?
Eigentlich sofort. Ich musste mich damit beschäftigen, loszulassen und positiv nach vorn zu schauen, um die Situation überhaupt annehmen zu können. Du wirst sonst verrückt. Aber ein Trauma zu verarbeiten, kostet Zeit – und man braucht dabei die Unterstützung eines Psychologen. Man muss sich selbst immer wieder herausfordern. Sich selbst Mut machen, seine Grenzen wieder neu zu setzen. Das macht nicht wirklich Spaß! Es braucht dafür harte Arbeit und Zeit.
Nicht nur man selbst, auch das eigene Umfeld muss mit einem persönlichen Schicksalsschlag zurechtkommen. Welche Erfahrungen hast du da gemacht?
Das nähere Umfeld ist enorm wichtig! Ich hatte grandiose Unterstützung von meinen Freunden, meinem damaligen Freund und meiner Familie. Auch mit den Krankenschwestern, Pflegerinnen und Pflegern, Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie den anderen Patientinnen und Patienten in der Reha habe ich wahnsinnig viele schöne Begegnungen erleben dürfen. Letztendlich habe ich auch meinen Mann damals kennengelernt. Wir hatten beide einen schlimmen Unfall und haben uns in der Reha gemeinsam zurückgekämpft und uns gegenseitig sehr unterstützt. Das hat uns zusammengeschweißt.
Gleichzeitig ist so ein Unfall auch für das persönliche Umfeld ein Trauma. Die Menschen um mich hatten natürlich genauso Ängste und haben mit mir mitgelitten. Sobald ich mir wieder etwas zugetraut habe, war es für sie herausfordernd, mich erneut loszulassen und zu verstehen, dass ich ein erwachsener, eigenständiger Mensch bin.
Tipp der Redaktion: Wenn einmal die Worte fehlen, lesen wir gerne schöne Sprüche zum Nachdenken.
Bei einem Schicksalsschlag kommt oft reflexartig die Frage: „Warum ich?“ Wie kann man diesen Gedanken in etwas Positives umwandeln?
So grausam das klingt – ich glaube, man muss dankbar sein für solche Erfahrungen. Die schlimmsten und härtesten Momente prägen uns am meisten. Damit umgehen zu können, dauert oft lange. Aber wenn es gelingt, dann können wir immer etwas mitnehmen. Es ist eine Kunst, bewusst auf das Positive zu schauen. Man hat immer die Wahl, dankbar zu sein für die guten Sachen – oder wütend zu sein über die schlechten, frustrierenden Sachen. Eine Situation an sich ist niemals schlecht. Es ist immer die Bedeutung, die wir einer Situation oder einer Sache geben.
Und wenn einem einfach nur nach Weinen zumute ist?
Weinen ist total wichtig! Wir können erst wieder positiv denken, wenn wir zuvor alles rausgeweint haben. Es geht nicht darum, in Selbstmitleid zu versinken oder sich destruktiven Gedanken hinzugeben. Sondern darum, negativen Gedanken und Gefühlen Luft zu machen. Erst dann können wir wieder voller positiver Gedanken uns selbst und anderen begegnen. Leere, Trauer und Wut müssen unbedingt raus, damit wieder Platz für Fülle, für Freude, für Liebe und Mut ist!
Woher nahmst und nimmst du deine Stärke?
Das sind mehrere Quellen: Ich hatte das Glück, in einer tollen Familie aufzuwachsen, einen unterstützenden Partner und Freunde zu haben, bei denen ich mich immer gut aufgehoben fühlte. Dieses Gefühl, niemals allein zu sein, hat mich immens bestärkt.
Zudem hatte ich ein klares Bild von mir, wie ich in der Zukunft sein möchte. Ich habe mir gesagt: „In zehn Jahren willst du auf keinen Fall über dich denken, dass du nicht alles gegeben hast!“ Deswegen wusste ich, ich muss jetzt alles geben, damit es mir später besser geht.
Und die Berge! Dieses unbeschreibliche Gefühl, einen Gipfel aus eigener Kraft erreicht zu haben. Erfahren zu dürfen, dass ich wieder Herrin über meinen Körper bin. Das alles hat mich immer wieder motiviert.
Dein Motto lautet „Fight. Smile. Love“ – und so lautet auch der Titel deines letzten Buchs. Was bedeuten diese Werte für dich?
Für mich ist es das Dreigestirn wie Körper, Geist, Seele. „Fight“ ist etwas, das ich schon immer gut kann und das mir charakterlich nicht schwerfällt: Ich bin so gepolt, zu kämpfen – durch meine Erziehung, durch den Leistungssport. „Smile“ ist der Optimismus, den es immer wieder braucht, um Situationen loszulassen, anzunehmen und weiterzugehen. Und „Love“ ist für mich letztendlich die Liebe zu sich selbst: diese Milde mit sich selbst, mal innezuhalten und sich Ruhe zu gönnen. Sich nicht so sehr vom Außen treiben zu lassen, sondern seiner inneren Stimme zu folgen und ganz bei sich zu bleiben.
Tipp der Redaktion: In diesem Beitrag empfiehlt eine Psychologin fünf Schritte zu mehr Selbstliebe.
Glaubst du, dass dieser Wille zum Durchhalten in jedem Menschen angelegt ist?
Definitiv. Aber nicht alle Menschen haben das Glück, durch ihr Umfeld oder ihre Erziehung darin gestärkt worden zu sein. Weil sie zum Beispiel in ihrer Kindheit immer wieder gesagt bekamen: „Du schaffst das eh nicht.“ Oder weil sie sehr angstvoll erzogen wurden und diese Ängste übernommen haben.
Ich glaube jedoch, dass man diesen Willen wiederentdecken kann. Indem man sich selbst besser kennenlernt und neue Glaubenssätze sät. Wer sich selbst, seine körperliche und mentale Gesundheit für wichtig erachtet und das über andere Ziele setzt, der weiß, wofür man kämpft und einsteht. Dann kriegt man auch den Willen, durchzubeißen.
Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch unseren Beitrag „Drei Wege, wie wir unser inneres Kind heilen“.
Wie findet man denn heraus, was einem individuell guttut?
Man darf sich ruhig öfter mit sich selbst und seinen eigenen Werten, Wünschen und Träumen beschäftigen und sich immer wieder fragen: „Lebe ich eigentlich meine wahren Werte, mein Ideal vom Leben? Oder lebe ich die der anderen, der Gesellschaft, meiner Familie, meiner Freunde?“ Und zwar ohne sich dabei schlecht vorzukommen oder peinlich berührt zu sein. Es ist nichts schlecht oder gut! Es geht nicht darum, etwas zu bewerten. Man muss Dinge ausprobieren und – Step-by-Step – für sich selbst einen Weg finden.
Du bist ehemalige Extremsportlerin, Model, Motivationscoach, Buchautorin – und Mutter. Wenn du deinen Kindern nur einen Rat fürs Leben mitgeben könntest, welcher wäre es?
Ich möchte ihnen so viele Ratschläge mitgeben (lacht)! Ob sie sie annehmen, ist die andere Frage. Letztendlich kann ich ihnen einfach nur vieles vorleben und versuchen, eine liebevolle, kultivierte Sprache mit mir selbst und mit ihnen zu führen. Es geht mir darum, dass sie sich selbst wertschätzen und dadurch lernen, auch andere Menschen wertzuschätzen, eine Achtsamkeit für die Natur zu erlangen. Ich möchte, dass sie in ihrem Selbstvertrauen und ihrem Selbstwert gestärkt sind. Egal, was sie tun – sie sollen es nicht tun, weil es jeder macht oder weil jemand es von ihnen verlangt. Wenn sie versuchen, stets eine gute Verbindung zu sich selbst zu haben, werden sie selbstbewusst ihren Weg gehen.
Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch unseren Beitrag „Bedürfnisorientierte Erziehung: Darauf kommt es beim Gentle Parentin an“.
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Buchtipp:
Fight. Smile. Love. Alles, was du brauchst, ist in dir
Gela Allmann
Piper Verlag, 2022