Guilty Pleasure: Warum uns Bridgerton & Co. guttun
Flirt-Show statt Autorenkino
Als der Begriff „Guilty Pleasure“ 1860 zum ersten Mal in der New York Times auftauchte, wurde damit ein Bordellbesuch umschrieben. Im Jahr 2023 haben Guilty Pleasures den Rotlichtbezirk zwar verlassen und spannen sich hauptsächlich um leibliche Genüsse, die als „kulinarische Sünde“ eingestuft werden können, sowie um popkulturelle Phänomene wie Bücher, Filme oder Serien – doch ihr Schlechtes-Gewissen-Potenzial ist unvermindert groß. Warum eigentlich? Warum ist es uns peinlich, wenn wir Dating-Shows auf Netflix schauen anstatt Arthouse-Filme im lokalen Kino? Und warum ist uns die Meinung anderer dabei so wichtig? Die Philosophen Kris Goffin und Florian Cova kamen 2018 in einer Studie zu folgendem Schluss: Ein Guilty Pleasure ist vor allem an zwei Dinge geknüpft – persönliche Normen und soziale Erwartungen. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Lektüre. Wer kennt sie nicht: die perfekt orchestrierten Bücherregale als Hintergrund für Videokonferenzen aus dem Homeoffice. Die Aneinanderreihung von großen Namen und Literaturklassikern passiert hier natürlich nur ganz „zufällig“. Oder: Mit welchem Lesestoff tritt man eine Zugreise an und blättert selbstbewusst darin? Eher mit dem unhandlichen Sonderformat einer Qualitätszeitung – oder mit der quietschbunten Illustrierten? Um den eigenen „guten“ Geschmack vor der kritischen Selbstbetrachtung und der Außenwahrnehmung zu wahren, ist man imstande, einige Korrekturen an der eigenen Performance vorzunehmen.