Impostor Syndrom: Fühlen Sie sich als Hochstaplerin?
Vor allem Frauen unterschätzen oft ihre Kompetenzen und leiden unter dem sogenannten Hochstapler-Syndrom, in der Psychologie auch Impostor Syndrom genannt. Wir klären über das Phänomen auf, gehen der Frage nach, warum vor allem Frauen betroffen sind und geben Tipps, wie man bewusst dagegen vorgehen kann.
Lob anzunehmen, fällt vielen Menschen – und ganz besonders Frauen – oft schwer. „Das war nur Zufall!“, „Ich habe einfach Glück gehabt …“ oder „Ist doch nichts Besonderes!“: Diese und ähnliche Sätze sagen vor allem Frauen gern, nachdem sie für eine Leistung gelobt wurden. Aber warum fällt es uns so schwer, Komplimente anzunehmen? Wir haben eine Psychologin zu diesem Thema befragt.
Was versteht man unter dem Impostor Syndrom?
Menschen, die am Impostor Syndrom leiden, zweifeln an ihrem eigenen Erfolg und sind dabei schlichtweg unfähig, an ihre eigene Leistung zu glauben. Psychologin Dr. Mirjam Zanchetta berichtet dazu: „Da Leistungen und Erfolge nicht auf stabile Fähigkeiten zurückgeführt werden, halten sich Betroffene für inkompetente Personen und völlig zu Unrecht für Hochstaplerinnen oder Hochstapler. Dabei fällt auf, dass sie stets Angst haben, ihre vermeintliche Hochstapelei beziehungsweise ihre Unfähigkeit könnte auffliegen.“ Wenn ihnen also etwas gelingt, möchten sie lieber keine Aufmerksamkeit dort hinlenken, um eventuelle Enttäuschungen zu vermeiden.Wie erkennt man das Hochstapler-Syndrom?
Während andere schon beim Nachtisch sind, suchen Personen mit Impostor Syndrom noch das Haar in der Suppe. So in etwa kann man sich das Hochstapler-Syndrom vorstellen. Betroffene vergleichen sich ständig mit anderen, was wiederum die Selbstzweifel verstärkt.Psychologin Dr. Zanchetta über das Erkennen von Impostor Betroffenen: „Um das Ausmaß feststellen zu können, eignet sich der Einsatz eines Fragebogens. Zu bewerten sind Beispielaussagen wie „Ich kann den Eindruck erwecken, kompetenter zu sein, als ich bin“ oder „Ich habe Angst, dass Menschen, die mir wichtig sind, erkennen, dass ich nicht so fähig bin, wie sie glauben“. Durch die Addition der Punkte erhält man einen Gesamtwert. Je höher der resultierende Wert ist, desto stärker ist die Person vom Impostor Syndrom betroffen.“
Warum sind besonders oft Frauen vom Impostor Syndrom betroffen?
Bei Männern wird das Hochstapler-Syndrom deutlich seltener diagnostiziert als bei Frauen. Das hat verschiedene, in unserer Gesellschaft immer noch tief verankerte Gründe. Historisch gesehen stand Männern die Welt offen. Frauen hingegen mussten sich stets beweisen und überdurchschnittliche Leistungen erbringen, um am Ende trotzdem weniger Anerkennung zu bekommen. Dieses Phänomen wurde von Generation zu Generation weitergetragen und sitzt auch heute noch im Bewusstsein vieler Frauen.Die Folgen sind verheerend: Frauen stapeln lieber tief und bewerben sich beispielsweise viel häufiger als Männer für Jobs, für die sie eigentlich überqualifiziert sind. Dieser Umstand ist nicht nur schädlich für die einzelnen Personen, sondern auch für die Gesellschaft. Denn dadurch wird wertvolles Wissen nicht genutzt.
Was kann man gegen das Hochstapler-Syndrom tun?
Wie so oft beginnt alles mit der Selbsterkenntnis: „Die Erkenntnis darüber, am Impostor Syndrom zu leiden, ist sozusagen schon der erste Schritt zur Besserung. Weiters sind alle Aktionen, die das Selbstbewusstsein und die angesprochenen Erfolge erhöhen, förderlich. Ein Tipp: Notieren Sie täglich, was Sie durch eigene Fähigkeiten in einem gewissen Zeitraum geleistet haben.“ Wichtig dabei: auch kleine Leistungen individuell würdigen und nicht zu sehr mit anderen vergleichen. Personen, die stark unter dem Syndrom leiden, empfiehlt Psychologin Dr. Zanchetta ein Persönlichkeitscoaching. Denn alle Expertinnen und Experten sind sich einig: Reden hilft! Lesen aber auch.Folgende Punkte kann man zusätzlich noch beachten:
1. Lob verteilen
Betroffenen fällt es schwer, Lob anzunehmen und sie haben einen sehr kritischen Blick auf die eigenen Leistungen. Zudem fühlen sie sich unter Druck gesetzt, wenn andere Personen gelobt werden. Diese zwei Fliegen kann man mit einer Klappe schlagen: selbst andere loben. Dadurch lernt man zum einen, die Leistungen generell wertzuschätzen, denn bei anderen fällt es uns tendenziell leichter zu erkennen, was ihnen gelungen ist. Zum anderen beschäftigt man sich aktiv mit dem Thema Lob. Wer oft lobt, wird auch oft mit der Reaktion der Menschen auf Lob konfrontiert. Dabei wird man sowohl Leidensgenossinnen mit Impostor Syndrom als auch Vorbildern begegnen. In jedem Fall wird schnell klar, wie komplex die Thematik ist und dass man keineswegs allein damit ist. Außerdem bewirkt das Schätzen fremder Leistungen eine positive Grundhaltung und macht uns zufriedener als negative Vergleiche. Ganz nach dem Motto: „XY ist das sehr gut gelungen und ich freue mich für sie. Das heißt aber nicht, dass meine Fähigkeiten deshalb weniger wert sind.“2. Realistische Anforderungen
Wenn man Anforderungen an sich selbst hat, die man unmöglich erreichen kann, wird man schnell frustriert sein und sich fühlen, als würde einem nichts gelingen. Dabei schafft man viele andere Dinge sehr wohl, die dann aber untergehen. Wer sich realistische Ziele setzt, wird diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch erreichen und das fördert das Selbstbewusstsein.3. Realität akzeptieren
Ja, es kann nicht immer alles gelingen – das macht uns aber noch lange nicht zu Hochstaplerinnen. Den qualifiziertesten Personen passieren manchmal die unnötigsten Fehler – sie sind deshalb allerdings nicht weniger geeignet. Entscheidend ist lediglich unser Umgang damit: Lassen wir uns vom Impostor Syndrom bremsen oder nehmen wir es als Ansporn für Höchstleistungen?4. Positive Grundhaltung
Wenn wir aufhören, bei anderen Hochstapelei zu vermuten, fällt es uns auch leichter, dieses Verhalten bei uns selbst einzuschränken. Prinzipiell können wir davon ausgehen, dass jede Person – wir selbst eingeschlossen – ihre Erfolge auch verdient hat. Übertriebene Skepsis ist bei diesem Thema nicht angebracht. Niemandem fällt aus Glück alles in den Schoß und wenn wir uns das vor Augen halten, fällt es uns auch leichter, unsere eigenen Leistungen gebührend zu würdigen.