Bäuerin Maria Haym über das Leben als junge Frau auf einem traditionsreichen Erbhof
Maria Haym, wie kann man sich das Leben als Bäuerin vorstellen?
Sehr abwechslungsreich. Als Bäuerin bin ich selbst und ständig beschäftigt, aber ich kann‘s mir gut richten. Die Vermietung unserer Gästezimmer und Ferienwohnungen, unsere Kleintiere sowie die Imkerei, die Verwertung unserer eigenen Produkte und die Mitarbeit bei der Heuernte sind meine Aufgaben am Hof. Außerdem kochen meine Schwiegermama und ich jeden Tag für die ganze Familie – da kommen wir zu zehnt an unserem riesigen Esstisch zusammen. Zu unserem Hof gehört auch die Tauernkarleitenalm, welche wir im Sommer bewirtschaften und wo unsere Kühe aufgetrieben werden. Hier fällt auch immer wieder einiges an Arbeit an. Abends sitze ich dann oft länger im Büro, aber mir ist wichtig, dass ich tagsüber für unsere drei Kinder da sein kann. Ich merke, als junge Frau habe ich neue Sichtweisen auf unseren Hof gebracht.
Welche neue Aspekte haben Sie eingebracht?
Ich bin sehr traditionsbewusst und mir ist wichtig, alte Bräuche zu bewahren, jedoch nicht stehenzubleiben, sondern Modernisierungen zuzulassen. Zum Beispiel haben wir für unseren Hof ein Logo gestaltet und ihm dadurch nach außen hin ein Gesicht gegeben – als Wiedererkennungswert. Im Bereich der Vermietung haben wir uns zu einem Familienbauernhof entwickelt und einen großen Streichelzoo für unsere Gäste geschaffen. Unsere schöne Alm liegt mir besonders am Herzen. Dort haben wir einen Anbau gemacht, um das Leben und die Arbeit auf der Alm zu vereinfachen. Aber trotz Modernisierung ging der Almcharakter durch unzählige liebevolle Details und bäuerliche Dekoration nicht verloren.
Wie ging es Ihnen mit dem Wechsel von der Kindergartenpädagogin zur Bäuerin?
Ich habe mich sofort drauf eingelassen. Gleich nachdem ich meinen Mann kennengelernt habe, habe ich die landwirtschaftliche Facharbeiter-Ausbildung nachgeholt – in einer Abendschule über zwei Jahre. Außerdem habe ich den Traktorführerschein gemacht. Jetzt im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich all das erledigt habe, bevor die Kinder kamen. Früher war mir nicht bewusst, wie viele Qualitäten und welch breitgefächertes Wissen man in dem Job mitbringen muss: Buchhaltung, Hauswirtschaft, Tierzucht, Landwirtschaft, Vermietung ... In Seminaren wie ‚Von der Einsteigerin zur Insiderin‘ lerne ich über Direktvermarktung, Betriebswirtschaft, Milchverarbeitung, Salben machen etc. Außerdem bin ich bei den Trachtenfrauen und tausche mich viel mit anderen Bäuerinnen aus. Das erleichtert das Hineinwachsen. Was mich total freut, ist, dass mein Mann und ich den Hof seiner Eltern zur Hälfte übernehmen durften. Halbe-halbe. Das sehe ich als richtig große Wertschätzung mir gegenüber. Ich habe also wirklich einen guten Platz in der Familie gefunden und möchte es nicht mehr anders.
Gibt es Dinge, die Sie an Ihrem alten Leben als Pädagogin vermissen?
Das Team. Mit meinen ehemaligen Kolleginnen haben sich richtige Freundschaften entwickelt. Das war wirklich eine schöne Zeit für mich. Meine Freizeit hat sich natürlich auch verändert. Es geht nicht mehr so leicht, auf Urlaub zu fahren. Aber eigentlich fehlt mir diese Freiheit nicht, denn ich liebe die Arbeit am Hof, in der Natur und mit den Tieren. Wir haben trotzdem die Möglichkeit, ein paar Tage wegzufahren. Meine Eltern sind greifbar und die Schwiegereltern sind nach wie vor sehr aktiv am Hof und alle helfen zusammen. Trotz der vielen Arbeit kann ich meinem liebsten Hobby nachgehen: der Musik. Zusammen mit Freundinnen singe ich in einem Dreigesang. Daraus schöpfe ich Kraft. Dieses Hobby ist in einer Großfamilie gut möglich, weil immer jemand auf die Kinder aufpassen kann.
Was möchten Sie an Ihrem neuen Leben als Bäuerin nicht missen?
Das Schönste für mich ist, dass mein Mann und ich gemeinsam am Hof wirtschaften und unsere Kinder hier aufwachsen können. Das ist wirklich ein großes Glück. Es ist wie ein riesiger Spielplatz für die drei. Natürlich kommen sie früher dran, dass sie in manchen Bereichen ein bisschen mithelfen müssen. Aber wenn wir den Kindern unsere Freude an der Landwirtschaft weitervermitteln, dann können wir bereits eine gute Basis für die Zukunft schaffen. Was ich auch liebe am Bäuerin-Sein, ist die Abwechslung – du bist in der Natur, zusammen mit den Tieren. Das Leben in der Großfamilie, generell das Bauernhofleben mit all den Traditionen, möchte ich nicht mehr missen.
Was verblüfft Sie immer wieder, jetzt, wo sie mehr mit der Natur leben?
Der Arbeitskreislauf und vor allem die Natur beeindrucken mich jedes Jahr aufs Neue. Wir mähen das Gras, um Futter für unsere Tiere zu bekommen. Diese produzieren neben Milch und Fleisch auch den hofeigenen Dünger, der wiederum auf die Felder ausgebracht wird. Richtige Kreislaufwirtschaft. Außerdem fasziniert mich die Arbeit mit den Bienen.
Sie leben mit Ihrer Familie auf einem Erbhof mit langer Tradition. Ist der Weg Ihrer drei Kinder vorgezeichnet oder bleibt noch Raum für eigene Lebensvorstellungen?
Unsere Kinder haben jeden Freiraum. Wir sagen immer: Wenn sie sich in der Schule leichttun, möchten wir Ihnen die Möglichkeit geben, ein Studium zu machen. Wir werden niemanden von den Dreien zwingen, den Hof zu übernehmen. Aber natürlich wirtschaften und arbeiten wir für unsere Nachkommen. Auch wir bauen auf dem Fundament unserer Vorfahren auf. Wir glauben, wenn man stetig investiert, ist es für die Nachkommen leichter, den Hof zu übernehmen. Außerdem versuchen wir den Kindern eine positive Einstellung zur Arbeit zu vermitteln und dass Motivation und Freude am gemeinsamen Schaffen im Vordergrund stehen.
Welche (Zukunfts-)Pläne hegen Sie und Ihr Mann für Ihren Hof?
Als junge Hofübernehmer haben wir so viele Pläne, dass wir in unserer eigenen Bauerszeit gar nicht fertig damit werden. Unser größtes Projekt ist ein neuer Stall. Das ist natürlich eine große finanzielle Herausforderung, aber wir erhoffen uns dadurch noch ein besseres Tierwohl und eine Verbesserung unserer Lebensqualität. Wir denken langfristig, sind ambitioniert und wollen alles verbessern. Meine Schwiegereltern haben schon so viel geleistet. Wir als nächste Generationen müssen entsprechend viel erhalten. Das ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Das Haus, den Stall, unsere Gästezimmer, die Alm, die Backstube, wo wir unsere Erzeugnisse ab Hof verkaufen …
Wir sehen unsere Aufgabe darin, Bestehendes zu erhalten, am Fundament aufzubauen und am Puls der Zeit zu bleiben.
Welches Brauchtum und welche Traditionen pflegen Sie am liebsten?
Weihnachten und die Zeit davor. In der Adventszeit musizieren und singen wir gemeinsam, binden Kränze, zünden Weihrauch an und dekorieren unser Bauernhaus festlich. Eine besondere Tradition, die für uns von großer Bedeutung ist, ist unser traditioneller Almabtrieb am Ende des Almsommers. Mittlerweile hat er sich zu einem richtigen Fest entwickelt, das alle zwei Jahre stattfindet.
Was ist Ihre Aufgabe beim Almabtrieb?
Ich stelle zusammen mit meiner Familie den Kopfschmuck her, mit denen unsere Kühe aufgekranzt werden. Mein Mann und ich haben das Grundgerüst, den sogenannten Spiegel, aus Leder anfertigen lassen. Der Spiegel wird auf dem Kopf der Kuh befestigt und hübsch verziert – mit Krepppapierblumen, Goldfolie und Grünzeug. Wir starten bereits Mitte August mit der Arbeit. Es braucht viel Zeit, Kreativität und Feinmotorik dafür. Kurz vor dem Almabtrieb binden wir Latschenbuschen für die großen Kühe und Weidenkranzerl für die Kälbchen. Diese werden mit Krepppapierblumen und Schleifen verschönert.
Wie läuft der Almabtrieb genau ab?
Der Tag startet um 5 Uhr mit einem Frühstück, zu dem alle Treiber, das sind ungefähr 20 Leute, die uns helfen, kommen. Dann geht’s rauf auf unsere Voralm, wo die rund 60 Kühe aufgekranzt werden. Von dort aus starten wir den 17 Kilometer langen Heimweg. Entlang der Tauernstraße laufen die Tiere am Anfang richtig schnell. Da müssen die Treiber schauen, dass sie mitkommen. Dann werden die Kühe langsamer. Um ca. 12.30 Uhr treffen wir in der Radstädter Innenstadt ein. Wir unterteilen unsere Tiere vorher in Kleingruppen, damit der Umzug durch die Stadt nicht so schnell vorbei ist. Hier merken wir immer, dass unsere Kühe möglichst schnell heimwollen. Auf unserem Untersulzbergerhof findet dann ein richtiges Fest mit Musik, heimischer Handwerkskunst, Spielstationen und bäuerlichen Schmankerln statt.
Sie sind aktuell 33 Jahre alt – wie fühlt sich dieses Alter an?
Gut, mein Mann und ich sind jetzt in der besten Zeit unseres Lebens. Wir sind jung, dynamisch, motiviert und voller Ambitionen. Wir ergänzen uns beide sehr gut, lieben unsere Arbeit und legen beide unser Herzblut in Haus und Hof, denn gemeinsam schafft man alles leichter.
Worauf freuen Sie sich am Älterwerden?
Ich bin jung Mama geworden. Mein Mann und ich freuen uns darauf, wenn die Kinder erwachsen sind und unsere Zeit kommt, wo wir wieder mehr gemeinsam machen können. Aber jede Zeit hat etwas Schönes an sich. Ich freue mich, wenn wir später zurückblicken und sehen, was wir in unserem gemeinsamen Leben geschafft und erreicht haben.