Polyamorie: Wenn Liebe nicht exklusiv ist
Für viele Paare ist eine monogame Beziehung das Fundament für Vertrauen und emotionale Treue. Polyamor lebende Menschen können sich diese Exklusivität nicht vorstellen. Sie gehen einen anderen Weg: Große Gefühle außerhalb der festen Zweisamkeit sind ausdrücklich erlaubt – und zwar ohne, dass dabei die bestehende Beziehung gefährdet wird. Doch wie funktioniert die Liebe zu dritt (oder zu viert, fünft…)? Eine Expertin beantwortet für ACTIVE BEAUTY die wichtigsten Fragen…
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Polyamorie?
- Polyamorie und andere offene Beziehungen: Was ist der Unterschied?
- Woher kommt das Konzept der Polyamorie?
- Ist Polyamorie eine sexuelle Orientierung?
- Welche Formen der Polyamorie gibt es?
- Wie kann Polyamorie funktionieren?
- Warum hat Polyamorie einen schlechten Ruf?
- Wie sage ich meinem/meiner aktuellen Partner/in, dass ich mir eine polyamore Beziehung wünsche?
- Was ist wichtig, wenn ich eine polyamore Beziehung eingehe? Gibt es Regeln?
- Spannende Instagram-Profile von polyamoren Menschen
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Mag.a Daniela Maier, MA ist Klinische- und Gesundheitspsychologin, zertifiziert in LGBTIQ*-Beratung und Psychologischer Sexualtherapie. In freier Praxis ist sie mit dem Schwerpunkt queer-feministische Psychologie und LGBTIQ*-Themen tätig.
Was ist Polyamorie?
„Polyamorie bedeutet wortwörtlich ‚Viele Lieben‘ oder ‚mehrere Lieben‘. Die Betonung liegt auf Liebe, nicht auf Sex, aber grundsätzlich kann das sehr unterschiedliche Formen annehmen“, erklärt Mag.a Daniela Maier. Somit ist Polyamorie eine Liebes- und Beziehungsform, in der es möglich ist, mehrere Menschen zu lieben und mehrere Beziehungen zu führen. „Zumindest ist das die Haltung der Beteiligten. Wie diese Beziehungssysteme konkret aussehen, kann sehr unterschiedlich sein“, so die Psychologin. „Polyamorie bietet die Möglichkeit, Erotik und Sexualität mit mehreren Partner*innen zu erleben. Wichtig ist aber auf jeden Fall, dass es sich dabei um eine liebende Art und Weise des erotischen Zusammenseins handelt.“Polyamorie und andere offene Beziehungen: Was ist der Unterschied?
Während sich manche anderen offenen Beziehungen rein auf das sexuelle Vergnügen außerhalb einer Partnerschaft konzentrieren, schließen „viele polyamore Menschen stark sexfokussierte und andere Formen der Nicht-Monogamie aus“, so Mag.a Daniela Maier. Im Zentrum einer polyamoren Beziehung stehen zumeist liebevolle Gefühle.Woher kommt das Konzept der Polyamorie?
„Variationen des Begriffs hat es vermutlich schon in den 1950er/1960er-Jahren gegeben. In den 1990er-Jahren entstand dann die Wortschöpfung ‚polyamory‘ im amerikanisch-englischen Raum“, so Mag. Daniela Maier. Sie führt fort: „Die Idee der Polyamorie beruht vor allem auf einer feministischen Kritik an der Monogamie. In der westlichen Gesellschaft war Monogamie zentral für die (heterosexuelle) Ehe, implizierte aber gleichzeitig mehr Nachteile für (cis*)Frauen als für (cis*)Männer. Monogamie bedeutet wörtlich ‚Einehe‘. Die feministische Kritik an der Monogamie galt dabei der Ehe als patriarchale Institution, die Männern Rechte über sexuelle, reproduktive und häusliche Dienste von Frauen gewährte. Die feministische Kritik galt also der sexuellen Exklusivität, aber auch den Besitzansprüchen auf eine Person. Dieser Hintergrund ist wichtig, um dieses Beziehungskonzept zu verstehen. Denn daraus haben sich eben alternative Beziehungsformen entwickelt. Die zugrundeliegende Idee von Polyamorie ist also, bestimmte Prägungen zu überwinden oder zu verändern und Beziehung anders zu leben, als es in unserer Gesellschaft vorgegeben ist.“Anmerkung der Redaktion:
*cis bezeichnet Personen, die sich mit dem bei der Geburt zugeschriebenem Geschlecht identifizieren.
Ist Polyamorie eine sexuelle Orientierung?
„Polyamorie wird in der Forschung vorwiegend als Beziehungsform betrachtet. Wichtig ist, dass Polyamorie für alle sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten offen ist“, erklärt die Expertin.Welche Formen der Polyamorie gibt es?
Manche polyamor lebenden Menschen unterscheiden zwischen Primär, Sekundär und Tertiärbeziehungen. Das bedeutet, wie wichtig und zentral eine Beziehung im Leben ist. Auch überkreuzte Partnerschaften untereinander sind möglich. Die drei häufigsten Beziehungsmodelle sind:- Primär-Sekundär: Es gibt eine zentrale Partnerin oder einen zentralen Partner, mit der oder dem das Leben geteilt wird. Das kann zum Beispiel ein Ehepartner oder eine Ehepartnerin sein, mit der oder dem man Kinder hat.
- Primär-Primär: Es gibt mehrere gleichberechtigte Partner oder Partnerinnen.
- Tertiär: Beim Modell des Poly-Singles gibt es keinen Primärpartner oder keine Primärpartnerin, dafür aber mehrere Sekundärpartner oder Sekundärpartnerinnen. Das könnte zum Beispiel eine lockere Beziehung ohne Verpflichtungen sein.