Verletzlichkeit zulassen: Mehr Mut zur Unvollkommenheit
Das erste Date nach der Scheidung. Zugeben, dass man etwas nicht kann oder einen Fehler gemacht hat: Situationen, in denen wir uns verletzlich fühlen, gibt es reichlich. Was aber, wenn wir unsere Verletzlichkeit nicht nur annehmen, sondern als eine Art Kompass benutzen? Mit diesen drei Tipps schaffen wir es, Verletzlichkeit zuzulassen, um langfristig glücklich zu sein.
Verletzlichkeit: Nur wer sich öffnet, gewinnt
Verletzlichkeit? Das ist etwas Negatives. Wer will schon „schwach“ und verletzlich sein? Heute sind wir alle stark, unabhängig und cool. Schwäche zulassen? Niemals. Doch kann man sein Leben wirklich mit wahren Glücksmomenten füllen, wenn man immer vorgibt, perfekt und fehlerlos zu sein?Die US-amerikanische Soziologin Brené Brown forscht seit über zwanzig Jahren zu den Themen Scham, Mut und Empathie und weiß: „Wir können keine Liebe oder Freude erfahren, wenn wir uns nicht erlauben, von anderen gesehen zu werden“. Verletzlichkeit ist zwar eng verknüpft mit Scham und Unsicherheit. Aber gleichzeitig auch die Basis für eine Menge wunderbarer Dinge wie Freude, Liebe, Zugehörigkeit, Empathie, Vertrauen, Kreativität, Inklusion und Fairness.
Verletzlichkeit ist essenziell und wichtig für ein erfülltes Leben, da ist sich Brown sicher. „Verletzlichkeit heißt nicht gewinnen oder verlieren, es geht um den Mut, sich zu zeigen, ohne die Folgen kontrollieren zu können“, so die Expertin. Also: No risk, no fun? Genau. Denn was ist die Alternative? Das Leben in einer gut gepolsterten comfort zone verbringen und nie unangenehme Fragen stellen und zulassen? Der Weg zu einem authentischen Ich ist nicht immer die sauber asphaltierte Straße, sondern kann auch mit dem ein oder anderen Schlagloch überraschen. Aber keine Angst: Solche Hindernisse und negative Gefühle sind Teil der Reise. Nur wer sich verletzlich zeigt, macht Bewegung möglich.
Goodbye Scham, hallo Empathie
Scham, schreibt Brown, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Durch Scham machen wir die äußerst schmerzhafte Erfahrung, uns unwürdig, ungeliebt und nicht zugehörig zu fühlen. Schamgefühle lähmen uns. „Ich glaube nicht, dass Scham hilfreich oder produktiv ist. Sondern viel eher die Quelle destruktiven, verletzenden Verhaltens“, so Brown. Das Mittel dagegen ist Empathie: Wenn wir unsere beschämende Geschichte mit anderen teilen und unser Gegenüber empathisch reagiert, löst sich Scham auf. Ganz wichtig: Auch Mitgefühl für sich selbst hilft dabei, Scham zu überwinden. Apropos Mitgefühl: Wie geht man damit um, wenn andere sich verletzlich zeigen? Aktiv zuhören und das Gehörte nicht werten. Hier ist es besonders wichtig, dass Sie die Grenzen Ihres Gegenübers spüren und respektieren.Verletzlichkeit ist wichtig für ein erfülltes Leben. Wir lernen und wachsen daran. Wer möglichen Verletzungen aus dem Weg geht, nie wagt, etwas zu verlieren, kann auch nichts gewinnen. Also: Wenn Sie das nächste Mal vor einer großen Aufgabe die Angst heimsucht, sollten Sie daran denken, dass es genau diese Verletzlichkeit, diese Angst vor dem Scheitern ist, die uns stark und mutig macht!
Drei Tipps, um gleich loszulegen
Tipp 1: Körperintuition
Wenn Sie einen besseren Zugang zu Ihren Gefühlen suchen, hören Sie am besten auf Ihren Körper. Fragen Sie sich: Wie fühlt sich mein Bauch an, mein Brustbereich, meine Schultern? Je öfter Sie in sich hineinspüren, desto eher kommen Sie in Verbindung mit Ihren Emotionen und entwickeln auch ein Gespür für die Bedürfnisse dahinter.
Tipp 2: Große Stärke beginnt in kleinen Dingen
Machen Sie sich klar, dass es ein großer Schritt ist, sich verletzlich zu zeigen. Fangen Sie mit kleinen Dingen an, fragen Sie zum Beispiel jemanden, was er denkt oder offenbaren Sie eine Schwäche. Seien Sie stolz auf sich und Ihren Mut.
Tipp 3: Gefühle aushalten
Feel the feelings: Lernen Sie die Angst vor Ablehnung zu spüren, ohne sich davon überrollen zu lassen. Machen Sie mindestens drei tiefe Atemzüge. Und nehmen Sie wahr, dass die Welt sich weiterdreht.
Sehenswerter Klassiker: Brené Browns über vier Millionen Mal aufgerufener TED-Talk „The power of vulnerability“. Wer gerne mehr zur Thematik lesen möchte, greift am besten zu Browns gleichnamigen Buch, das auch in deutscher Sprache erhältlich ist.
Verletzlichkeit macht stark
Brené Brown
Verlag: Goldmann