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Selbstwirksamkeit: Darauf kommt es laut Psychotherapeutin an
Text: , Mag.a Marion Kolloczek, LL.M.

Ich kann das!

Selbstwirksamkeit: Darauf kommt es laut Psychotherapeutin an

Mag.a Marion Kolloczek, LL.M. ist Psychotherapeutin mit Praxis in Wien. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Selbstwirksamkeit. ACTIVE BEAUTY hat sie darüber im Interview alles Wissenswerte verraten.

1. Mag.a Kolloczek, was ist Selbstwirksamkeit?

Selbstwirksamkeit ist die Fähigkeit, in seinem eigenen Leben wirksam zu sein. Jeder Mensch verfügt darüber und zeigt dies täglich in einer Vielzahl an Handlungen, mit denen er auf sein Leben Einfluss nimmt.

Die persönliche Überzeugung, neue oder schwierige Anforderungen auf Grund eigener Kompetenzen bewältigen zu können, ist bei den Menschen allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies beschreibt den Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung, der vom amerikanischen Psychologen Albert Bandura in den 1970er-Jahren geprägt wurde. Ein Mensch, der daran glaubt, auch in schwierigen Situationen gewünschte Handlungen erfolgreich selbst ausführen und damit etwas bewirken zu können, hat demnach eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Wer hingegen vermehrt äußere Umstände, andere Personen, Zufall, Glück und andere unkontrollierbare Faktoren als ursächlich ansieht, hat eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung. In der Praxis werden Selbstwirksamkeitserwartung und Selbstwirksamkeit oft als Synonym verwendet.

2. Warum ist Selbstwirksamkeit wichtig?

Das Gefühl, im eigenen Leben wirksam sein zu können, ist eine Grundvoraussetzung, um sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Wenn man an sich und seine Fähigkeiten glaubt, ist es möglich, auch in herausfordernden Situationen handlungsfähig, flexibel und kreativ zu bleiben. Durch die positive Grundüberzeugung setzen sich selbstwirksame Menschen höhere Ziele, verfolgen diese konsequenter und ausdauernder. Sie bleiben länger motiviert (hier gibt’s Tipps für mehr Motivation beim Sport) und lassen sich bei Misserfolgen nicht so schnell entmutigen.

Selbstwirksamkeit stellt daher einen wichtigen Baustein für psychisches und körperliches Wohlbefinden und für eine hohe Lebenszufriedenheit dar.

3. Wie äußert sich Selbstwirksamkeit?

Selbstwirksame Menschen trauen sich zu, neue Aufgaben zu bewältigen. Sie sehen Schwierigkeiten gelassen entgegen, da sie auf ihre Fähigkeiten vertrauen. Sie sind überzeugt, dass sie Probleme aus eigener Kraft meistern können und auch mit Überraschungen zurechtkommen. Mit einer guten Selbstwirksamkeitserwartung nimmt man neue Aufgaben als Herausforderung und nicht als Hürde wahr. Wenn einem z.B. die Chefin eine neue Aufgabe überträgt, gelingt es, an diese zuversichtlich heranzugehen, die eigenen Stärken gezielt einzusetzen und lange motiviert zu bleiben.
Eine selbstwirksame Person setzt sich auch selbst, etwa beim Sport, konkrete Ziele und verfolgt diese zielstrebig, z.B. durch konsequentes Training.

4. Wie entsteht Selbstwirksamkeit?

Selbstwirksamkeit entsteht bereits beim Säugling, genau genommen bereits zu einem Zeitpunkt, in dem ihm das „selbst“ noch gar nicht bewusst ist. Wenn der Säugling ein Bedürfnis äußert und die Bezugsperson adäquat reagiert (z.B. den weinenden Säugling stillt), erlebt der Mensch Selbstwirksamkeit. Im Zuge der Entwicklung werden zunehmend Erfahrungen durch das eigene Wirken gesammelt. Wenn das eigene Handeln gewünschte Ergebnisse nach sich zieht, stärkt dies die Selbstwirksamkeitserwartung.

5. Was sind die vier Quellen der Selbstwirksamkeit?

1. Eigene Erfahrungen

Erfolgserfahrungen sind das stärkste Mittel, um Selbstwirksamkeitserwartung aufzubauen. Wer schwierige Situationen meistert und dies den eigenen Fähigkeiten zuschreibt, gewinnt Vertrauen, weitere Hürden erfolgreich bewältigen zu können.

2. Erfahrungen von Vorbildern

Personen, die schwierige Situationen geschafft haben, können als Vorbild dienen. Besonders gut ist die Wirkung, wenn das Rollenmodell der eigenen Person möglichst ähnlich ist und die im Prozess aufgetretenen Schwierigkeiten und Bewältigungsstrategien nachvollziehbar schildern kann.

3. Zuspruch von anderen

Wenn andere Personen an die eigenen Fähigkeiten glauben und dies auch mitteilen, hat das ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Selbstwirksamkeit. Unterstützend sind dabei insbesondere nahestehende Menschen: Sie kennen die Stärken und Kompetenzen einer Person und können ein glaubwürdiges Bild des Erfolges zeichnen.

4. Eine geringe emotionale Erregung

Ein hoher Erregungszustand bei Herausforderungen wie z.B. Herzklopfen wird oft als mangelnde Bewältigungskompetenz interpretiert. Ein geringerer Erregungszustand in schwierigen Situationen, der z.B. durch Entspannungstechniken erzielt werden kann, führt folglich zu einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung.

6. Wie wirkt sich eine geringe Selbstwirksamkeit aus?

Wenn die Selbstwirksamkeitserwartung gering ist, fühlt man sich äußeren Faktoren ausgeliefert; es entsteht ein Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit. Dies wirkt sich negativ auf die Motivation, die Leistungsfähigkeit, das psychische und körperliche Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit aus. Ängste und Depressionen können entstehen.

7. Was hat Resilienz mit Selbstwirksamkeit zu tun?

Resilienz ist eine innere Widerstandskraft, die sich darin zeigt, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen.

Wenn man auf seine Selbstwirksamkeit vertraut, kommt man mit Schwierigkeiten und Misserfolgen besser zurecht. Das stärkt die Resilienz. Gleichzeitig fördert die Resilienz auch die Selbstwirksamkeit, da bei selbstwirksamen Personen äußere Faktoren keinen so starken Einfluss auf das Selbst haben. Die beiden Faktoren unterstützen sich daher gegenseitig.

8. Was ist emotionale, berufliche bzw. soziale Selbstwirksamkeit?

Emotionale Selbstwirksamkeit könnte man als Bereitschaft verstehen, die eigenen Gefühle zuzulassen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und diese möglichst hilfreich zu deuten. Ein emotional selbstwirksamer Mensch würde z.B. ein Gefühl von aufkeimender Angst vor einer großen Herausforderung weder ignorieren, noch würde es ihn lähmen. Vielmehr würde die Person das Gefühl bewusst wahrnehmen, es als Beleg für die Wichtigkeit der Aufgabenerfüllung deuten und parallel dazu weiterhin in seine Fähigkeiten vertrauen.

Tipp: Erfahren Sie zum Beispiel hier, wie Sie mit der Angst vor Montag umgehen.

Berufliche Selbstwirksamkeit drückt aus, dass man schon zahlreiche eigene Stärken erkannt hat, die einem im beruflichen Kontext das Vertrauen geben, etwas aus eigenen Kräften schaffen und bewegen zu können.

Soziale Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, im sozialen Kontext Einfluss nehmen zu können. Dies zeigt sich z.B. in der aktiven Gestaltung von Beziehungen. Selbstwirksame Menschen erkennen ihre Einflussmöglichkeiten, können z.B. Freundschaften pflegen oder Beziehungen beenden (das sind die 10 Anzeichen für eine kaputte Beziehung). Sie bringen sich und ihre Bedürfnisse in zwischenmenschlichen Situationen in angemessener Weise ein.

9. Was ist der Unterschied zwischen Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen?

Die beiden Begriffe Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen sind eng miteinander verbunden.

Selbstvertrauen bedeutet, an seine eigenen Stärken und Fähigkeiten zu glauben. Selbstwirksamkeit drückt sich mehr in konkreten Handlungsideen aus. Es verbindet somit in gewisser Weise das Selbstvertrauen mit der Überzeugung, dadurch Aufgaben erfüllen bzw. Ziele erreichen zu können.

Zusatztipp: Erfahren Sie zum Beispiel hier, was Frauen im Job weiter bringt.

10. Wie kann man Selbstwirksamkeit fördern?

Das bewusste Sammeln von Erfahrungen eigener Wirksamkeit fördert die Selbstwirksamkeit. Wer sich im Alltag selbstwirksam erlebt, vertraut auch bei größeren Herausforderungen vermehrt darauf, etwas bewirken und die Situation aus eigener Kraft gut meistern zu können.

Darüber hinaus braucht es ein gesundes Maß an Optimismus, eine positive Sicht auf sich und die Zukunft. Mein Tipp: Stellen Sie einer etwaigen inneren Kritikerin auch eine innere beste Freundin zur Seite, die Ihre Handlungen wertschätzend und anerkennend kommentiert. Sie dürfen sich Mut zusprechen und stolz auf sich sein!

11. Drei Tipps zur Stärkung der Selbstwirksamkeit

1. Tipp: Nutzen Sie Handlungsspielräume!

Wenn Sie z.B. krank das Bett hüten – was können Sie tun, um Ihre Situation ein wenig zu verbessern? Ein Hustenzuckerl, eine zweite Decke, das Lesen eines Buches –nehmen Sie Ihr eigenes Wohlbefinden wichtig und tragen Sie dazu bei. Und: Selbstwirksamkeit drückt sich auch aus, indem man jemanden um Unterstützung bittet! Das Leben schöner zu gestalten oder um Hilfe zu bitten, hat übrigens etwas mit dem eigenen Selbstwertgefühl zu tun.

2. Tipp: Definieren Sie kleine, konkrete Handlungsziele!

Nehmen Sie sich Dinge, die Sie selbst wirksam und unmittelbar umsetzen können, vor. Sagen Sie z.B: statt „Ich will total durchtrainiert sein.“ „Diese Woche mache ich jeden Abend einen Spaziergang.“ Hier erfahren Sie übrigens mehr über einen gesunden Alltag.

3. Tipp: Reflektieren Sie Erfolge!

Viele neigen dazu, Erfolge dem Glück oder Zufall zuzuschreiben. Schauen Sie genau! Was haben Sie selbst dazu beigetragen, welche Fähigkeiten haben Sie dabei unterstützt? Und freuen Sie sich darauf, diese das nächste Mal wieder aktivieren zu können!